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Neonazipartei „Dritter Weg“: Hauptquartier im Vogtland steht zum Verkauf

Jahrelang galt das Gebäude in Plauen als bundesweite Parteizentrale des „Dritten Wegs“. Nun wird es anonym auf einem Kleinanzeigenportal angeboten. Was haben die Rechtsextremisten vor?

Plauen/Dresden.Die Immobilienannonce ist auf den ersten Blick eine wie jede andere. Mit vielen Ausrufezeichen wirbt der Verkäufer „Privat Anbieter“ für ein „TOP Mehrfamilienhaus + Gewerbe in Plauen“ als Kapitalanlage oder „zum selber bewohnen“.

Das einzige Foto beim Portal Kleinanzeigen zeigt ein Gründerzeithaus, vier Stockwerke plus Dachgeschoss, Straßenbahn vor der Tür, Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe. 221 Quadratmeter, verfügbar ab Juni, Verhandlungsbasis 99.000 Euro für acht von neun Eigentumsanteilen am Gebäude. Der „Privat Anbieter“ ist als „besonders freundlich“ und „besonders zuverlässig“ bewertet. Eine Telefonnummer ist nicht angegeben. Aber man kann ihm eine Nachricht schreiben.

Nichts deutet daraufhin, dass es hier um das sächsische Hauptquartier der Neonazipartei „Dritter Weg“ im Stadtteil Haselbrunn geht. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) listet die Immobilie an der Pausaer Straße seit Jahren als dauerhaft „rechtsextremistisch genutzt“. Aus der Behörde heißt es, man wisse von den Verkaufsabsichten.

Seit fast einem Jahrzehnt ist die 2013 als Nachfolgeorganisation der Neonazigruppierung „Freies Netz Süd“ (FNS) gegründete Kleinstpartei im Vogtland aktiv. Im April 2015 hatten Anhänger den „Stützpunkt Vogtland“ gegründet. Nach Schätzungen des LfV stagniert die Mitgliederzahl im Vogtland seit Jahren um die 80, sachsenweit sind es etwa 140.

Geht den Neonazis das Geld aus?

Dennoch hatte der „Stützpunkt“ bislang enorme Bedeutung für die Partei, weil die gemietete Immobilie seit 2019 im Besitz eines Parteimitglieds ist: Thomas Heyer, Schatzmeister im Landesvorstand des „Dritten Wegs“, dem die acht zum Verkauf stehenden Anteile einem Grundbuchregisterauszug zufolge gehören. Der andere Anteil gehört einer früheren Anhängerin der Partei. Eigene Immobilien sind wichtig für die Szene, um nicht von anderen Vermietern abhängig zu sein. In Sachsen gibt es dem LfV zufolge insgesamt 35 rechtsextremistisch genutzte Immobilien.

Auf der Internetseite des „Dritten Wegs“ heißt das in grüner Parteifarbe gestrichene Gebäude „Nationalrevolutionäres Zentrum P130“, das auch als eine Art bundesweite Parteizentrale diente. Im Erdgeschoss befinden sich Parteiräume, in den oberen Etagen Wohnungen – ideal für Treffen, Vorträge, „Aktionstage“, Rechtsrockkonzerte und Demos auf dem Bürgersteig. Auch Pressekonferenzen wurden dort abgehalten. Fragen zum Dritten Reich: unerwünscht.

Der Stadtteil Haselbrunn ist von Gründerzeithäusern, aber auch sozialen Problemen wie Armut und Drogenkonsum geprägt – ideal, um sich als Kümmerer aufzuspielen mit vermeintlichen Hilfsangeboten wie Kleiderkammer, Hausaufgabenhilfe, Kindertheater oder Selbstverteidigungskursen – aber nur für Deutsche. Außerdem biete man eine Gemeinschaft, wirbt die Partei im Internet und man könne Pate für „P130“ werden, inklusive Spendenbescheinigung zum Absetzen von der Steuer.

Warum also nun der Verkauf? Geht den Neonazis das Geld aus? Will sich die Partei aus dem Vogtland zurückziehen, wie manche Experten hinter vorgehaltener Hand vermuten – auch weil die Konkurrenz durch „Freie Sachsen“ und „AfD“ zu groß sein könnte?

Verfassungsschutz sieht keinen Rückzug aus dem Vogtland

LfV-Sprecherin Patricia Vernhold sagt: „Wir können aus dem Verkauf momentan nicht ableiten, dass sich die Partei aus dem Vogtlandkreis zurückziehen will.“ Außerdem hat der „Dritte Weg“ auch andernorts Strukturen etabliert wie in Mittelsachsen und Zugriff auf eine Immobilie in Zwickau.

Der Rechtsextremist und frühere FNS-Aktivist Tony Gentsch war bis 2022 Landeschef des „Dritten Wegs“ in Sachsen, auf Bundesebene ist er Schatzmeister. Auf Nachfrage sagt Gentsch, die Plauener Zentrale sei zu klein geworden, man brauche mehr Platz. Theoretisch stünde im fränkischen Teil des Vogtlands eine Immobilie mit Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude zur Verfügung, in Oberprex, einen Ortsteil von Regnitzlosau. Sie gehört der Mutter von Gentsch. Der Freistaat Bayern hatte das Grundstück im Zuge des FNS-Verbots 2014 beschlagnahmt – zu Unrecht, wie das Bundesverwaltungsgericht im Mai 2023 urteilte. Vor der Beschlagnahme hatte Gentsch von dort aus einen Versand für rechtsextremistisches Propagandamaterial betrieben. Zur künftigen Nutzung wollte sich Gentsch nicht äußern.

Man suche einen neuen Standort im sächsischen Vogtland, sagt Gentsch, um die „politische Arbeit fortzusetzen“ und in Sachsen bei Wahlen antreten zu können. Der 39-Jährige ist der erste und bisher einzige sächsische Funktionär des „Dritten Wegs“, der bei den Kommunalwahlen 2019 gleich zwei Mandate errang, im Stadtrat von Plauen und im Kreistag des Vogtlands. Aufgefallen ist er in den Ratssitzungen zuletzt mehr durch Fernbleiben als durch politische Arbeit. Das Stadtratsmandat legte er vor Kurzem nieder, weil er seinen Wohnsitz ins Umland verlegt hatte. Für die Wahl zum neuen Vogtland-Kreistag am 9. Juni treten weder er noch andere Mitglieder der Partei wieder an.

In den vergangenen Monaten war es ruhiger um die Rechtsextremisten geworden. Zuvor hatte der „Dritte Weg“ Neonazi-Demonstrationen organisiert und dafür bundesweit mobilisiert – wie am 1. Mai 2019, als Parteianhänger mit Fackeln, Trommeln und uniformer Kleidung durch Plauen zogen.

Die Bilder davon fanden international Beachtung und sorgten für Entsetzen, die Versammlungsbehörde des Vogtlandkreises stand massiv in der Kritik. Es dürfte der Zenit öffentlicher Aktivitäten im Vogtland gewesen sein. 2021 unterstützte Gentsch zur Plauener OB-Wahl den Kandidaten der ebenfalls als rechtsextremistisch eingestuften „Freien Sachsen“. Im Herbst 2022 organisierte er die bis dato letzte Neonazi-Demo in Plauen – mit deutlich weniger Zulauf als noch in den Vorjahren. Parallel versucht der „Dritte Weg“ stärker Fuß zu fassen in Zwickau und Ostsachsen.

In Plauen stießen die Neonazis zuletzt zunehmend auf Widerstand aus der Bevölkerung. Gegenüber der Parteizentrale fanden Straßenfeste für Demokratie statt, Vereine boten Aufklärung, warnten. Der Verkauf der Immobilie könnte eine Reaktion darauf sein. Dieses Jahr zum 1. Mai ruft der „Dritte Weg“ zur Demo ins thüringische Sonneberg. Womöglich, weil sich die Neonazis dort mehr Zulauf versprechen. Im gleichnamigen Landkreis regiert mit Robert Sesselmann seit 2023 Deutschlands erster AfD-Landrat. (two/nd)

https://www.freiepresse.de/vogtland/plauen/neonazipartei-dritter-weg-hauptquartier-im-vogtland-steht-zum-verkauf-artikel13352894, 30.04.2024